Familienrecht und Coronavirus
Fragen aus dem Bereich Familienrecht, die in diesem Zusammenhang entstehen können
1. Finden Gerichtsverhandlungen und Scheidungen statt?
Alle Scheidungstermine und sonstige nicht eilige familienrechtliche Termine wurden in den letzten Wochen entweder nicht angesetzt oder sofern bereits terminiert wieder abgesagt.
Trotz alledem werden noch Haftprüfungen und einstweilige Anordnungen verhandelt, da es sich dabei um eilige, unaufschiebbare Verfahren handelt.
Ein Scheidungsantrag kann unproblematisch gestellt werden. Da einige Fragen zu klären, Vorarbeiten auszuführen und Fragebögen zum Versorgungsausgleich auszufüllen sind.
Dies muss so oder so geklärt werden, bevor die Scheidung terminiert werden kann.
Sollten Sie einer Risikogruppe angehören, können die wesentlichen Fragen auch telefonisch geklärt werden. Auch die Formalien wickeln wir gerne kontaktlos ab, sofern dies von Ihrer Seite gewünscht wird.
2. Welchen Einfluss haben Einkommenseinbußen durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie auf Fragen des Unterhalts?
Zunächst bleibt der Unterhaltsanspruch der Gegenseite auch in Krisenzeiten bestehen. Insbesondere wenn der Unterhaltsanspruch tituliert (rechtsverbindlich festgestellt) wurde und keine entsprechende Anpassungsklausel vorgesehen ist, ist der Unterhaltsschuldner verpflichtet weiter den festgelegten Unterhalt zu bezahlen.
3. Beeinflusst Kurzarbeitergeld den Kindesunterhalt oder Ehegattenunterhalt?
Ob die unterhaltspflichtige Person Unterhalt leisten kann, bemisst sich nach ihrer Leistungsfähigkeit. Ein Unterhaltsschuldner ist nur insoweit leistungsfähig, als der Schuldner über Einkommen verfügt, das den notwendigen Selbstbehalt übersteigt. Liegt das Einkommen des Unterhaltsschuldners unterhalb seines Selbstbehalts, muss er notfalls auch eigene Vermögenswerte für den Unterhalt verwenden.
Wenn der Unterhaltschuldner längerfristig nicht mehr leistungsfähig ist, können wir eine Abänderungsklage beim Familiengericht einreichen. Ob sich der auch finanzielle Aufwand lohnt ist im Einzelfall zu entscheiden!
Wenn möglich können wir auch Verhandlungen für Sie führen und zu erreichen versuchen, wegen Trennungs- Ehegattenunterhalts oder wegen Kindesunterhalts eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Dann ist gewährleistet, dass die Höhe des Unterhalts angemessen ist und nach Ihrem aktuellen Nettoeinkommen bemessen wird. Um dies zu ermitteln, berechnen wir die Unterhaltsforderung nach Ihren aktuellen Einkünften neu.
Bei Bezug von Kurzarbeitergeld stellt sich die Frage, ob der Unterhaltsschuldner gehalten ist, sich um eine besser bezahlte Arbeit zu kümmern. Dies ist wohl eher zu verneinen, da der Unterhaltsschuldner anderenfalls eine gesicherte Einkommensquelle aufgibt. Allerdings gibt es dazu noch keine gesichteten Musterentscheidungen.
4. Muss der Unterhaltsschuldner Vermögenswerte verwerten?
Der Unterhaltsschuldner hat gegenüber minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Er ist verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu verwenden (§ 1603 Abs. II BGB). Notfalls muss er auch die Substanz des eigenen Vermögens angreifen (BGH, FamRZ 1989, 171). Wann dies allerdings der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab.
Verbleiben muss dem Unterhaltsschuldner jedenfalls ein bestimmter Teil seines Vermögens als Schonvermögen. Wie viel, hängt von seinen individuellen Verhältnissen und den Umständen im Einzelfall ab. Einen festen Betrag wie im Sozialhilferecht gibt es nicht.
Bargeld, das der Unterhaltsschuldner aus seinem notwendigen Selbstbehalt anspart, braucht er nicht für den laufenden Unterhalt zu verwenden. Es ist das Sache des Unterhaltsschuldners, wofür er seinen Selbstbehalt verwendet, ob er ihn also ausgibt oder anspart.
Der Unterhaltsschuldner ist nicht verpflichtet den Stamm seines Vermögens zu verwerten, soweit dies mit wirtschaftlich nicht vertretbaren Nachteilen verbunden wäre. Als Beispiel wäre hier eine Kündigung einer Lebensversicherung mit hohen Verlusten zu nennen.
5. Inwieweit muss der Unterhaltsschuldner Mehrarbeit leisten?
Der Unterhaltsschuldner ist verpflichtet, jede zumutbare Möglichkeit auszunutzen, Geld zu verdienen. Er muss seine Arbeitskraft bestmöglich einsetzen. Unterlässt er entsprechende Bemühungen, obwohl sich eine Erwerbsmöglichkeit bietet, bemisst sich seine Leistungsfähigkeit nicht nach seinen tatsächlich erzielten, sondern nach dem erzielbaren Einkommen.
Er muss sich also das theoretisch erzielbare Einkommen fiktiv zurechnen lassen, das er unter einem zumutbaren Einsatz seiner Arbeitskraft hätte erzielen können. Zum Einsatz seiner Arbeitskraft muss er entsprechende Erwerbsbemühungen entfalten und nachweisen.
Allerdings dürfte diese Verpflichtung in Corona-Zeiten kaum zum Tragen kommen. Kurzarbeit, Kündigung von Arbeitsplätzen, Freistellungen und unbezahlter Urlaub dürften auch den an sich unterhaltwilligen Unterhaltsschuldner veranlassen, Unterhaltszahlungen einzuschränken oder gar einzustellen. Da Unternehmen derzeit so gut wie niemanden neu einstellen, wird der Unterhaltsschuldner auch kaum eine Möglichkeit haben, Erwerbsbemühungen zu entfalten.
Da es augenblicklich durch die Coronakrise noch an vergleichbaren Gerichtsurteilen fehlt und es seit Bestehen der Bundesrepublik noch eine vergleichbare Situation noch nie gab, können die oben dargestellte Problemkreise und Fragen nicht mit hinreichender Sicherheit beantwortet. Unbestritten ist, dass sich die derzeitige Situation auch für Unterhaltsschuldner erheblich auswirkt. Daher ist es derzeit besonders wichtig, sich in anwaltliche Beratung zu begeben.