Dauerbrenner: Kann man sich in einem Scheidungsverfahren von einem Anwalt vertreten lassen?
Soweit die Ehegatten noch miteinander Kontakt haben und der Auffassung sind, dass alle wesentlichen Fragen bereits geregelt sind, entsteht oft der Wunsch nur eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Natürlich reduzieren sich damit die Anwaltskosten um die Hälfte.
Das Kostenargument ist natürlich nachvollziehbar. Aber geht das?
Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 19.09.2013 bereits darauf hingewiesen, dass die Ehegatten schon vor Beginn der Beratung darauf hinzuweisen sind, dass ein Anwalt im Grundsatz nur einen der beiden Ehegatten beraten kann, dass er bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf, sondern die Eheleute nur unter Ausgleich der gegenseitigen Interessen beraten darf (BGH IX ZR 322/12).Die konsultierte Rechtsanwältin oder der konsultierte Rechtsanwalt wird somit den scheidungswilligen Ehegatten davon abraten. Er kann nicht beide Ehegatten beraten und nicht beide Ehegatten bei Gericht vertreten.
Unter Umständen sind außer haftungsrechtlichen Fragen für den Rechtsberater auch strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten. Er kann sich eines strafbaren Parteiverrats nach § 356 StGB schuldig machen. Darüber hinaus verstößt er gegen seine Berufsordnung.
Das liegt daran, dass beide Ehegatten für einzelne Fragen im Scheidungsverfahren diametral entgegengesetzte Interessen haben.
Die Erfahrung zeigt, dass das trügerische Einvernehmen, das die Ehegatten oftmals zunächst an den Tag legen, darin begründet ist, dass die Ehegatten noch gar nicht um alle ihre Rechte wissen. Leicht verständlich ist hier nur exemplarisch, dass im Falle von Unterhaltsansprüchen zum Zeitpunkt der Trennung beziehungsweise nach der Ehescheidung beide Ehegatten gegenläufige Interessen haben. Einer der Ehegatten möchte möglichst viel Geld vom anderen bekommen, der möchte aber möglichst wenig bezahlen.
Daher ist zu empfehlen, dass in einem Trennungsschreiben an die Gegenseite diese aufgefordert wird, aus Gründen der „Waffengleichheit“, eine eigene Rechtsanwältin oder einen eigenen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Die geschilderten Grundsätze stehen eventuell im Widerspruch zu dem, was man erlebt oder schon mal gehört hat, dass Ehegatten mit nur einem Rechtsanwalt geschieden wurden.
Wenn bereits alle Fragen in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt sind und es tatsächlich nur noch um die Frage der Ehescheidung (ohne Versorgungsausgleich) geht, reicht es aus, dass ein Scheidungsantrag durch einen Ehegatten gestellt wird. Nach § 114 FamFG in Verbindung mit § 78 ZPO herrscht für das Scheidungsverfahren zwar Anwaltszwang. Der Ehegatte, der nicht anwaltlich vertreten ist, kann dem Scheidungsantrag zustimmen. Er könnte sogar die Rücknahme oder den Widerruf zur Ehescheidung selbst veranlassen. Auch dazu würde keine weitere Rechtsanwältin bzw. kein weiterer Rechtsanwalt benötigt.
Das Stellen eines eigenen Scheidungsantrags, wofür dann immer anwaltliche Vertretung erforderlich ist, ist jedoch notwendig für die Berechnung des Versorgungs- oder Zugewinnausgleichs bei Rücknahme des Scheidungsantrags durch den antragsstellenden Ehegatten. Daran sieht man, dass die Ehescheidung mit nur einer Anwältin oder einem Anwalt daraus auch Risiken birgt.
In einem ersten Beratungsgespräch zudem zwei Ehegatten erschienen sind, wird die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt also Auffordern zu entscheiden, welcher Ehegatte von ihm vertreten werden soll. Dies ist unter Berücksichtigung des oben geschilderten Interessenkonflikts notwendig bei gegenläufigen Interessen der Ehegatten.
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